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토니오 크뢰거와 인어아가씨 (Tonio Kröger und die kleine Meerjungfrau)

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최초등록일 2025.06.03 최종저작일 2009.12
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토니오 크뢰거와 인어아가씨
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    서지정보

    · 발행기관 : 한국헤세학회
    · 수록지 정보 : 헤세연구 / 22호 / 249 ~ 271페이지
    · 저자명 : 이성주

    초록

    Im Lebensabriss gibt Thomas Mann zu: "Ich habe der Bildungserlebnisse meiner
    Kindheit und ersten Jugend nicht gedacht, nicht des unauslöschlichen Eindrucks, den
    Andersens Märchen mir machten, [...]" Bereits in der frühen Erzählung Kleiderschrank
    (1899) und im märchenhaften Roman Königliche Hoheit (1909) finden sich Einflüsse der
    Werke Andersens. Doch der Vorrang der kleinen Seejungfrau ist in seinem Leben als
    Künstler besonders auffällig. In Doktor Faustus taucht das Motiv der Meerfrau mehrmals
    auf und wird als eines der Grundthemen fast endlos variiert.
    In Tonio Kröger erscheint das Motiv der kleinen Seejungfrau als implizites
    Hauptthema, das aber durch die Camouflage, zunächst nicht leicht zu finden ist. Kein
    Zufall ist, dass Tonio Kröger gegenüber einer Malerin den Künstler als "irgend etwas
    Außermenschliches und Unmenschliches" definiert und sogar mit den "präparierten
    päpstlichen Sänger[n]" vergleicht. Der Künstler ist, nach Tonios Auffassung, weder
    Weib noch Mann, wie die kleine Meerfrau. Er hat zwar durchaus männliche Merkmale,
    jedoch kein ‘männliches Symbol’. Er sei, eigener Einschätzung zufolge, kastriert. Nur so
    könne er gut singen. Als Preis für die schöne Stimme darf er also am 'normalen',
    ehelich-bürgerlichen Leben nicht teilhaben. Ein weiterer symbolischer Indikator ist, dass
    er von dem bürgerlichen Leben kastriert, sprich isoliert ist. Hier stimmen die Bedenken
    gegen die sexuelle Identität mit denen gegen die gesellschaftliche überein.

    Der Künstler Tonio Kröger hat daher eine große, jedoch unerfüllbare Sehnsucht nach
    dem »Leben«, wie die kleine Seejungfrau. Die beiden haben sicherlich eine "verstohlene
    und zehrende Sehnsucht [...] nach den Wonnen der Gewöhnlichkeit".
    Bedeutungsvoll ist, dass Tonio Kröger gegenüber der Malerin Lisaweta Iwanowna
    verkündet, nicht nur zur nördlichen Hansestadt, seiner Vaterstadt, sondern auch weiter
    nach Dänemark zu reisen. Das Ziel ist bereits bestimmt. Eine Reise in die Heimat
    Andersens, neben der zum Schloss Hamlets. "»Aber nehmen Sie die Bücher, die dort
    oben geschrieben werden, diese tiefen, reinen und humoristischen Bücher, Lisaweta, – es geht mir nichts darüber, ich liebe sie", – dazu zählen neben Henrik Johan Ibsens Dramen
    sicherlich Herman Bangs Werke und auch Andersens Märchen, nicht zuletzt Die kleine
    Seejungfrau.
    Die Schilderung der Reiseroute von der Vaterstadt Richtung Norden, via Kopenhagen,
    ist mal realistisch, mal märchenhaft, "feenhaft". Tonio erlebt den Mondschein, die Sterne
    über dem wilden Meer, die Schiffsreise, den Sonnenaufgang, einen Ball usw., alles, was
    auch die kleine Meerfrau und ihre Schwester sehen und erleben. Er schwimmt in den
    Sund hinaus und spaziert stundenlang am Strand entlang. Er zeigt sich ungewöhnlich
    begeistert vom Meer: "Im Rücken wußte er sich das Meer; es rief, lockte und grüßte. Und
    er lächelte." Tonios einzige aber noch nicht fertige Gedichtzeile, die in ihm tönt, ist ein
    begeistertes Liebeslied an das Meer: "Du meiner Jugend wilder Freund, so sind wir
    einmal noch vereint..." Tonio Kröger, der genau wie die Seejungfrau den dänischen
    Prinzen bzw. Hamlet liebt, begegnet nun Menschen wie Hans Hansen bzw. Ingeborg
    Holm. Wer sonst als die beiden stellen hier den dänischen Prinzen dar? Die beiden
    Blonden und Blauäugigen, die für Tonio das »Leben« bedeuten und zugleich ein altes
    unerreichtes Liebesobjekt, wie der schwarzäugige Prinz für die kleine Seejungfrau, sind
    eigentlich eine einzige Person,
    Eines Nachts findet in einem Saal am Meer ein prunkvoller Ball statt. Tonio sieht
    Hans und Inge essen, trinken, schwatzen, sich vergnügen und tanzen. Er möchte sie
    ansprechen, um eine lockere Gemeinschaft mit den beiden herzustellen, kann es aber
    nicht: "Er dachte sich aus, was er sagen könnte; aber er fand nicht den Mut, es zu sagen."
    In diesem Moment ist er die kleine Seejungfrau, die gegenüber dem Geliebten ihre Liebe
    "weder singen noch sprechen kann". Ja, sie ist stumm, obwohl nicht taub, denn ihre
    Zunge ist kastriert. Dies besagt eindeutig, dass sie gegenüber dem Geliebten keine
    Sprache finden kann und darf, ihre Liebe zu äußern, genau wie bei einer tabuisierten und
    daher »verbotenen Liebe«. Tonio ist gegenüber Hans und Inge nichts anderes als stumm,
    "denn ihre Sprache war nicht seine Sprache". In dieser intertextuellen Anspielung auf Die
    kleine Seejungfrau ist Tonios stigmatisierte Liebe camoufliert.

    "Du kennst doch die kleine Seejungfrau von Andersen?", wird Adrian im
    Teufelsgespräch gefragt, und es wird ihm vorgeschlagen: "[...] das wäre ein Schätzchen
    für dich! Es kostet dich ein Wort, und ich führe sie dir zu Bette." Das Motiv der Meerfrau
    erscheint im Doktor Faustus mehrfach und wird dabei variiert. Adrian selbst nennt sie
    sogar "meine Schwester und süße Braut" mit Namen Hyphialta. Adrian und die kleine Meerfrau sind durch die schneidenden Schmerzen intim verbunden.
    Schon Tonio Kröger spricht "vom Fluch der Erkenntnis und der schöpferischen Qual".
    Die schöpferische Qual wird hier auf eine körperliche übertragen. Tonio gehört zu den
    "Leute[n] mit ungeschickten Körpern und feinen Seelen, Leute, die immer hinfallen", als
    ob er zwei neue Beine, die ihm Schmerzen wie Messerstiche bereiten und an die er sich
    noch nicht gewöhnt hat, als menschliche Körperteile bekommen hätte. Im Gegensatz zu
    Tonio, der davor Angst hat, in der Öffentlichkeit hinzufallen, schreitet die kleine
    Seejungfrau sehr anmutig. Aber auch sie erträgt die Schmerzen, denn "jeder Schritt, den
    sie tat, war, als trete sie auf spitze Nadeln und scharfe Messer, wie die Hexe ihr
    vorausgesagt hatte, aber das ertrug sie gern. An des Prinzen Hand schritt sie so leicht
    einher wie eine Seifenblase, und er und alle wunderten sich über ihren anmutigen,
    schwebenden Gang." Der Kontrast zwischen Tonio und der kleinen Meerfrau entwickelt
    sich in den Schmerzen zu einer Intimität, und sie erreicht ihren Höhepunkt beim Tanz.
    Die kleine Seejungfrau tanzt unter Qualen vor dem Geliebten: "Sie tanzte mehr und
    mehr, obwohl es jedesmal, wenn ihr Fuß die Erde berührte, war, als ob sie auf scharfe
    Messer träte."
    Auch Tonio Kröger muss einen Tanz vollführen, und zwar den "schweren, schweren
    und gefährlichen Messertanz der Kunst". Insofern erträgt auch er die "Messer"-
    Schmerzen in der Kunst.
    Bei Adrian Leverkühn wird die schöpferische Qual mehrfach betont. Er leidet an der
    trübseligen, messerscharfen "Migräne, wie schwere Seekrankheit auftretend", die mal
    pathologisch als Meningitis durch Syphilis, mal poetologisch als schöpferische Qual zu
    verstehen ist. Anstatt sich »herumzuschleppen« aufgrund von Schmerzen in den Füßen,
    leidet er an Kopfschmerzen. Neben Adrian, der während seiner messerstichartigen
    Schmerzanfälle beim Reden "etwas Schleppendes und, durch trägen Gebrauch der
    Lippen, etwas mangelhaft Artikuliertes" hat, erscheinen noch zwei andere Figuren in
    Doktor Faustus, die etwas »Schleppendes« haben. Einer ist Dr. Schleppfuß, der, nach
    dem Erzähler Zeitblom, wahrscheinlich wegen des Namens zu schleppen scheint, und ein
    anderer ist der Stotterer Kretzschmar, der sozusagen in der Rede schleppt. Bemerkenswert
    ist, dass die beiden Adrians Lehrer sind, und zwar in Bezug auf seine Musik. Klar
    ist, dass einer der beiden Adrian die Musiktheorie bzw. -praxis lehrt. Doch der andere ist
    Hallenser Privatdozent der Theologie. Es ist jedoch unübersehbar, dass Adrians Musik
    sehr eng mit Schleppfuß’ Lehre verbunden ist, d.h. mit der dämonisierten Theologie, der
    des Geistes gewärtigen Sexualität, der dialektischen Einheit von Gut und Böse und nicht zuletzt von Gebundenheit und Freiheit. Es ist kein Zufall, dass der Teufel in Palestrina
    einmal als Hallenser Theologe erscheint. Beide sind hinsichtlich Adrians Musik
    sicherlich einflussreich. Dass seine Musik mit dem Motiv der kleinen Seejungfrau zu tun
    hat, zeigt, dass er wie Tonio »behend und geistesgegenwärtig den schweren, schweren
    und gefährlichen Messertanz der Kunst vollführ[t]«, der insgeheim auf dem
    geschlechtlichen, "unheilbare[n] Außenseitertum der Seejungfrau" beruht.
    In diesem Kontext ist Adrians selbst gewählte Einsamkeit als ein anderer Name für
    seine verstohlene und zehrende Sehnsucht nach der Oberwelt, dem »Leben«, den
    Wonnen der Gewöhnlichkeit zu lesen. Aber er tadelt diesbezüglich die kleine Seejungfer.
    Adrian hält bereits zum »Leben« große Distanz, obwohl sein "lichtbegierig[es]",
    "heliotropisch[es]", "so sehnsüchtige[s] Drängen nach Wärme und Freude" an der
    Oberwelt tatsächlich noch unleugbar ist, und zwar mindestens bis vor dem Tod Echo
    Schneideweins.
    Das »Leben« hat daher zweifachen Sinn. Adrian kennt bereits die Illusion des
    »Lebens«, wie der Autor Thomas Mann als Nietzsche'scher Schüler, gut genug, um auf
    "das Märchen, die Wagnerischen Epen und schließlich die antiken Mythen" nicht naiv zu
    vertrauen. Hier kann man die Einsamkeit Adrians nachvollziehen. Aus dem gleichen
    Grund verachtet Tonio Hans und Inge. Zugleich ist er ihnen jedoch zugeneigt. Er hat
    nämlich noch die Sehnsucht, sei es nach dem »Leben«, das als "Totalität aller
    Möglichkeiten", als "die mythische Einheit", die "für den Künstler der Moderne
    unerreichbar ist", verstanden wird, sei es nach der alltäglichen Gewöhnlichkeit des
    »Lebens«. In diesem Punkt ist er, bei aller Verschiedenheit zu Adrian, diesem ähnlich. In
    der märchenhaften, schließlich mythischen Welt, welche durch die Aufnahme der
    kleinen Meerjungfrau verwirklicht wird, erscheint Tonio als der entmythologisierte, also
    ungläubige Mensch.

    영어초록

    Im Lebensabriss gibt Thomas Mann zu: "Ich habe der Bildungserlebnisse meiner
    Kindheit und ersten Jugend nicht gedacht, nicht des unauslöschlichen Eindrucks, den
    Andersens Märchen mir machten, [...]" Bereits in der frühen Erzählung Kleiderschrank
    (1899) und im märchenhaften Roman Königliche Hoheit (1909) finden sich Einflüsse der
    Werke Andersens. Doch der Vorrang der kleinen Seejungfrau ist in seinem Leben als
    Künstler besonders auffällig. In Doktor Faustus taucht das Motiv der Meerfrau mehrmals
    auf und wird als eines der Grundthemen fast endlos variiert.
    In Tonio Kröger erscheint das Motiv der kleinen Seejungfrau als implizites
    Hauptthema, das aber durch die Camouflage, zunächst nicht leicht zu finden ist. Kein
    Zufall ist, dass Tonio Kröger gegenüber einer Malerin den Künstler als "irgend etwas
    Außermenschliches und Unmenschliches" definiert und sogar mit den "präparierten
    päpstlichen Sänger[n]" vergleicht. Der Künstler ist, nach Tonios Auffassung, weder
    Weib noch Mann, wie die kleine Meerfrau. Er hat zwar durchaus männliche Merkmale,
    jedoch kein ‘männliches Symbol’. Er sei, eigener Einschätzung zufolge, kastriert. Nur so
    könne er gut singen. Als Preis für die schöne Stimme darf er also am 'normalen',
    ehelich-bürgerlichen Leben nicht teilhaben. Ein weiterer symbolischer Indikator ist, dass
    er von dem bürgerlichen Leben kastriert, sprich isoliert ist. Hier stimmen die Bedenken
    gegen die sexuelle Identität mit denen gegen die gesellschaftliche überein.

    Der Künstler Tonio Kröger hat daher eine große, jedoch unerfüllbare Sehnsucht nach
    dem »Leben«, wie die kleine Seejungfrau. Die beiden haben sicherlich eine "verstohlene
    und zehrende Sehnsucht [...] nach den Wonnen der Gewöhnlichkeit".
    Bedeutungsvoll ist, dass Tonio Kröger gegenüber der Malerin Lisaweta Iwanowna
    verkündet, nicht nur zur nördlichen Hansestadt, seiner Vaterstadt, sondern auch weiter
    nach Dänemark zu reisen. Das Ziel ist bereits bestimmt. Eine Reise in die Heimat
    Andersens, neben der zum Schloss Hamlets. "»Aber nehmen Sie die Bücher, die dort
    oben geschrieben werden, diese tiefen, reinen und humoristischen Bücher, Lisaweta, – es geht mir nichts darüber, ich liebe sie", – dazu zählen neben Henrik Johan Ibsens Dramen
    sicherlich Herman Bangs Werke und auch Andersens Märchen, nicht zuletzt Die kleine
    Seejungfrau.
    Die Schilderung der Reiseroute von der Vaterstadt Richtung Norden, via Kopenhagen,
    ist mal realistisch, mal märchenhaft, "feenhaft". Tonio erlebt den Mondschein, die Sterne
    über dem wilden Meer, die Schiffsreise, den Sonnenaufgang, einen Ball usw., alles, was
    auch die kleine Meerfrau und ihre Schwester sehen und erleben. Er schwimmt in den
    Sund hinaus und spaziert stundenlang am Strand entlang. Er zeigt sich ungewöhnlich
    begeistert vom Meer: "Im Rücken wußte er sich das Meer; es rief, lockte und grüßte. Und
    er lächelte." Tonios einzige aber noch nicht fertige Gedichtzeile, die in ihm tönt, ist ein
    begeistertes Liebeslied an das Meer: "Du meiner Jugend wilder Freund, so sind wir
    einmal noch vereint..." Tonio Kröger, der genau wie die Seejungfrau den dänischen
    Prinzen bzw. Hamlet liebt, begegnet nun Menschen wie Hans Hansen bzw. Ingeborg
    Holm. Wer sonst als die beiden stellen hier den dänischen Prinzen dar? Die beiden
    Blonden und Blauäugigen, die für Tonio das »Leben« bedeuten und zugleich ein altes
    unerreichtes Liebesobjekt, wie der schwarzäugige Prinz für die kleine Seejungfrau, sind
    eigentlich eine einzige Person,
    Eines Nachts findet in einem Saal am Meer ein prunkvoller Ball statt. Tonio sieht
    Hans und Inge essen, trinken, schwatzen, sich vergnügen und tanzen. Er möchte sie
    ansprechen, um eine lockere Gemeinschaft mit den beiden herzustellen, kann es aber
    nicht: "Er dachte sich aus, was er sagen könnte; aber er fand nicht den Mut, es zu sagen."
    In diesem Moment ist er die kleine Seejungfrau, die gegenüber dem Geliebten ihre Liebe
    "weder singen noch sprechen kann". Ja, sie ist stumm, obwohl nicht taub, denn ihre
    Zunge ist kastriert. Dies besagt eindeutig, dass sie gegenüber dem Geliebten keine
    Sprache finden kann und darf, ihre Liebe zu äußern, genau wie bei einer tabuisierten und
    daher »verbotenen Liebe«. Tonio ist gegenüber Hans und Inge nichts anderes als stumm,
    "denn ihre Sprache war nicht seine Sprache". In dieser intertextuellen Anspielung auf Die
    kleine Seejungfrau ist Tonios stigmatisierte Liebe camoufliert.

    "Du kennst doch die kleine Seejungfrau von Andersen?", wird Adrian im
    Teufelsgespräch gefragt, und es wird ihm vorgeschlagen: "[...] das wäre ein Schätzchen
    für dich! Es kostet dich ein Wort, und ich führe sie dir zu Bette." Das Motiv der Meerfrau
    erscheint im Doktor Faustus mehrfach und wird dabei variiert. Adrian selbst nennt sie
    sogar "meine Schwester und süße Braut" mit Namen Hyphialta. Adrian und die kleine Meerfrau sind durch die schneidenden Schmerzen intim verbunden.
    Schon Tonio Kröger spricht "vom Fluch der Erkenntnis und der schöpferischen Qual".
    Die schöpferische Qual wird hier auf eine körperliche übertragen. Tonio gehört zu den
    "Leute[n] mit ungeschickten Körpern und feinen Seelen, Leute, die immer hinfallen", als
    ob er zwei neue Beine, die ihm Schmerzen wie Messerstiche bereiten und an die er sich
    noch nicht gewöhnt hat, als menschliche Körperteile bekommen hätte. Im Gegensatz zu
    Tonio, der davor Angst hat, in der Öffentlichkeit hinzufallen, schreitet die kleine
    Seejungfrau sehr anmutig. Aber auch sie erträgt die Schmerzen, denn "jeder Schritt, den
    sie tat, war, als trete sie auf spitze Nadeln und scharfe Messer, wie die Hexe ihr
    vorausgesagt hatte, aber das ertrug sie gern. An des Prinzen Hand schritt sie so leicht
    einher wie eine Seifenblase, und er und alle wunderten sich über ihren anmutigen,
    schwebenden Gang." Der Kontrast zwischen Tonio und der kleinen Meerfrau entwickelt
    sich in den Schmerzen zu einer Intimität, und sie erreicht ihren Höhepunkt beim Tanz.
    Die kleine Seejungfrau tanzt unter Qualen vor dem Geliebten: "Sie tanzte mehr und
    mehr, obwohl es jedesmal, wenn ihr Fuß die Erde berührte, war, als ob sie auf scharfe
    Messer träte."
    Auch Tonio Kröger muss einen Tanz vollführen, und zwar den "schweren, schweren
    und gefährlichen Messertanz der Kunst". Insofern erträgt auch er die "Messer"-
    Schmerzen in der Kunst.
    Bei Adrian Leverkühn wird die schöpferische Qual mehrfach betont. Er leidet an der
    trübseligen, messerscharfen "Migräne, wie schwere Seekrankheit auftretend", die mal
    pathologisch als Meningitis durch Syphilis, mal poetologisch als schöpferische Qual zu
    verstehen ist. Anstatt sich »herumzuschleppen« aufgrund von Schmerzen in den Füßen,
    leidet er an Kopfschmerzen. Neben Adrian, der während seiner messerstichartigen
    Schmerzanfälle beim Reden "etwas Schleppendes und, durch trägen Gebrauch der
    Lippen, etwas mangelhaft Artikuliertes" hat, erscheinen noch zwei andere Figuren in
    Doktor Faustus, die etwas »Schleppendes« haben. Einer ist Dr. Schleppfuß, der, nach
    dem Erzähler Zeitblom, wahrscheinlich wegen des Namens zu schleppen scheint, und ein
    anderer ist der Stotterer Kretzschmar, der sozusagen in der Rede schleppt. Bemerkenswert
    ist, dass die beiden Adrians Lehrer sind, und zwar in Bezug auf seine Musik. Klar
    ist, dass einer der beiden Adrian die Musiktheorie bzw. -praxis lehrt. Doch der andere ist
    Hallenser Privatdozent der Theologie. Es ist jedoch unübersehbar, dass Adrians Musik
    sehr eng mit Schleppfuß’ Lehre verbunden ist, d.h. mit der dämonisierten Theologie, der
    des Geistes gewärtigen Sexualität, der dialektischen Einheit von Gut und Böse und nicht zuletzt von Gebundenheit und Freiheit. Es ist kein Zufall, dass der Teufel in Palestrina
    einmal als Hallenser Theologe erscheint. Beide sind hinsichtlich Adrians Musik
    sicherlich einflussreich. Dass seine Musik mit dem Motiv der kleinen Seejungfrau zu tun
    hat, zeigt, dass er wie Tonio »behend und geistesgegenwärtig den schweren, schweren
    und gefährlichen Messertanz der Kunst vollführ[t]«, der insgeheim auf dem
    geschlechtlichen, "unheilbare[n] Außenseitertum der Seejungfrau" beruht.
    In diesem Kontext ist Adrians selbst gewählte Einsamkeit als ein anderer Name für
    seine verstohlene und zehrende Sehnsucht nach der Oberwelt, dem »Leben«, den
    Wonnen der Gewöhnlichkeit zu lesen. Aber er tadelt diesbezüglich die kleine Seejungfer.
    Adrian hält bereits zum »Leben« große Distanz, obwohl sein "lichtbegierig[es]",
    "heliotropisch[es]", "so sehnsüchtige[s] Drängen nach Wärme und Freude" an der
    Oberwelt tatsächlich noch unleugbar ist, und zwar mindestens bis vor dem Tod Echo
    Schneideweins.
    Das »Leben« hat daher zweifachen Sinn. Adrian kennt bereits die Illusion des
    »Lebens«, wie der Autor Thomas Mann als Nietzsche'scher Schüler, gut genug, um auf
    "das Märchen, die Wagnerischen Epen und schließlich die antiken Mythen" nicht naiv zu
    vertrauen. Hier kann man die Einsamkeit Adrians nachvollziehen. Aus dem gleichen
    Grund verachtet Tonio Hans und Inge. Zugleich ist er ihnen jedoch zugeneigt. Er hat
    nämlich noch die Sehnsucht, sei es nach dem »Leben«, das als "Totalität aller
    Möglichkeiten", als "die mythische Einheit", die "für den Künstler der Moderne
    unerreichbar ist", verstanden wird, sei es nach der alltäglichen Gewöhnlichkeit des
    »Lebens«. In diesem Punkt ist er, bei aller Verschiedenheit zu Adrian, diesem ähnlich. In
    der märchenhaften, schließlich mythischen Welt, welche durch die Aufnahme der
    kleinen Meerjungfrau verwirklicht wird, erscheint Tonio als der entmythologisierte, also
    ungläubige Mensch.

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